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Deutsche Kolonien
Als Deutsche Kolonien bezeichnete man Gebiete des Deutschen Kaiserreichs, die außerhalb von Europa erobert worden waren. Die meisten davon befanden sich in Afrika, einige wenige in Asien und Ozeanien. Der Reichskanzler Otto von Bismarck nannte die Kolonien „Schutzgebiete“. Damit war gemeint, dass deutsches Militär die Kaufleute und ihre Schiffe beschützte.
Vor dem Ersten Weltkrieg war das Deutsche Kolonialreich das drittgrößte der Welt, nach dem Britischen Weltreich und dem Französischen Kolonialreich. Was die Einwohnerzahl betrifft lag es noch hinter dem Kolonialreich der Niederlande. Nach dem Krieg musste das Deutsche Kaiserreich im Vertrag von Versailles alle seine Kolonien an Staaten abgeben, die den Krieg gewonnen hatten. Einige wurden bereits zuvor aufgegeben, weil es sich nicht mehr rechnete oder sie wurden von anderen Ländern besetzt.
Wie kam Deutschland zu seinen Kolonien?
Als erste deutsche Kolonie könnte man das Gebiet „Klein-Venedig“ in Südamerika bezeichnen. Karl der Fünfte schuldete der Augsburger Adelsfamilie Welser Geld, das er sich für einen Krieg geliehen hatte. Um die Schuld zu begleichen, verpfändete er ihnen in einem Vertrag ein großes Stück Land in Südamerika. Der Vertrag wurde 1546 jedoch aufgekündigt, weil es den Welsern nicht gelang, eine funktionierende Kolonie aufzubauen. Heute ist Klein-Venedig ein großer Teil von Venezuela. Auch in späteren Jahrhunderten mischten Deutsche im Kolonialgeschäft mit. Es wurden jedoch nur für kurze Zeit winzige Gebiete in Besitz genommen. So gehörte Preußen von 1683 bis 1717 mal ein kleiner Abschnitt an der Küste von Ghana.
Im neunzehnten Jahrhundert wurde der Ruf nach Kolonien im Deutschen Kaiserreich immer lauter. Otto von Bismarck war jedoch lange gegen den Erwerb von Kolonien, weil es ihm zu teuer war. Doch im Jahr 1878 änderte er diese Meinung. Weshalb er dies tat, können die Wissenschaftler heute nicht genau sagen. Möglicherweise gab er seinen Beratern nach, die ihn immer wieder zu dieser Entscheidung drängen wollten. Deutschland erklärte 1878 Samoa zur Kolonie. In den Jahren danach sicherte sich Deutschland große Gebiete in Afrika, für die sich die anderen Kolonialreiche bislang nicht interessierten. Das waren vor allem die heutigen Länder Togo, Namibia, Kamerun, Ruanda, Burundi und Tansania. In Asien und Ozeanien kamen noch Palau, Teile Papua-Neuguineas und andere kleine Gebiete dazu.
Um die Gebiete in Besitz zu nehmen, wurde oft ein Vertrag mit einem Häuptling geschlossen. Die Deutschen gaben ihm im Austausch gegen Ländereien Geld, Schmuck oder Waffen und versprachen, dass deutsches Militär die Eingeborenen beschützen würde. Dabei haben die deutschen auch unfair getrickst: Der Kaufmann Adolf Lüderitz kaufte in Namibia Land in Quadratmeilen. Er erwähnte jedoch nicht, dass damit deutsche Meilen gemeint waren. Eine Deutsche Meile sind etwa 7500 Meter, eine englische 1600. Im Jahr 1898 schloß das Deutsche Reich einen Vertrag mit China. Es pachtete 99 Jahre lang das Gebiet um die Stadt Tsingtau. Die Deutschen errichteten dort das Pachtgebiet Kiautschou, das zu einer „Vorzeige-Kolonie“ wie das britische Hongkong werden sollte.
Was machten die Deutschen in ihren Kolonien?
Die Deutschen errichteten an den Küsten kleine Städte, um Handel zu treiben. Im Landesinneren bauten sie Rohstoffe ab, die dann über die Häfen mit großen Schiffen nach Deutschland gebracht wurden. Dort wurden sie in Fabriken weiterverarbeitet. Dazu gehörte beispielsweise Kautschuk, aus dem man Gummi für Fahrrad- und Autoreifen machen konnte. Auf großen Plantagen in Afrika wurden Baumwolle und Sisal für die Herstellung von Textilien gepflanzt. Kokosnuss- und Palmöl wurden in der chemischen Industrie im Ruhrgebiet gebraucht. Des weiteren suchte man nach Diamanten und baute Kakao, Kaffee und Bananen an.
Die deutschen Siedler und anderen Europäer machten im Vergleich zu den Eingeborenen nur einen kleinen Teil der Bevölkerung aus. Die Eingeborenen hatten jedoch deutlich weniger Rechte als die Weißen. Sie waren nicht mal deutsche Staatsbürger, sondern galten dem Reich als Untertanen. Darum konnten sie auch nicht mitbestimmen, was in der Politik passiert. Manche Eingeborene wurden zu Sklaven gemacht, welche mit Gewalt dazu gezwungen wurden, den Deutschen beim Abbau und Transport der Rohstoffe zu helfen.
In den Augen der Deutschen waren die Eingeborenen wie kleine, unwissende Kinder, die man belehren und erziehen müsse. Die Deutschen schickten Missionare, um sie zu Christen zu machen. In Schulen lernten sie die deutsche Sprache sowie die Kultur und Sitten kennen. Es bestand jedoch keine Schulpflicht. Die Deutschen wollten nämlich nicht, dass die Eingeborenen allzu gebildet werden und sich schließlich nicht mehr so gut unterdrücken lassen.
Manchmal wehrten sich die Eingeborenen gegen die deutschen Kolonialherren, die ihnen ihre Ländereien und somit ihre Lebensgrundlage wegnahmen. So beispielsweise im Jahr 1904 in Namibia. Die Deutschen schlugen den Aufstand jedoch mit Gewalt nieder und brachten mehr als die Hälfte der Eingeborenen aus den Völkern Herero und Nama um. Die Deutschen bezeichneten sie auf rassistische Weise als „Hottentotten“. Viele flohen in die Wüste, wo sie verdursteten. Heute weiß man, dass dies ein Völkermord war, so wie später der Holocaust. Es gab damals auch schon Konzentrationslager.
Was sieht man heute von Deutschland in den ehemaligen Kolonien?
In den ehemaligen Deutschen Kolonien leben heute nur noch sehr wenige Nachkommen der deutschen Siedler. In Namibia zum Beispiel sind es weniger als einer von hundert. Sie sind dann jedoch oft wohlhabend und haben hohe Positionen in der Wirtschaft. In keinem der heutigen Länder ist Deutsch noch eine wichtige Sprache. Sie wurde dort nach dem Ersten Weltkrieg meist von Französisch oder Englisch verdrängt. Manche Gewohnheiten der Deutschen sind jedoch bestehen geblieben. So isst man in manchen dieser Länder gerne Dinge wie Schnitzel oder Kaffee und Kuchen.
Das frühere Tsingtau heißt heute Qingdao und ist eine chinesische Millionenstadt. Die Tsingtao-Brauerei, die in der Kolonialzeit von Deutschen gegründet wurde, ist heute die größte Bier-Brauerei Chinas. Sie braut noch immer nach dem Deutschen Reinheitsgebot, nach dem Bier nur aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt werden soll. Der Kilimandscharo in Tansania hieß noch bis 1964 Kaiser-Wilhelm-Spitze.
Deutsche Soldaten in der Namib-Wüste
Deutsche Soldaten führen in Tansania im Jahr 1897 den Eingeborenen ihre gefährlichen Schusswaffen vor, um sie von Aufständen abzuhalten.
Diese Kirche in Windhoek, Namibia wurde von den Deutschen gebaut.